“Es braucht schon sehr viel Zuversicht, um nicht trübsinnig zu werden” – Ex-Außenminister Markus Meckel im Interview

In der DDR wurde Markus Meckel von der Stasi und der SED zur Gruppe der gefährlichen Oppositionellen gerechnet. Zusammen mit Martin Gutzeit initiierte er später die Gründung der Sozialdemokratischen Partei in der DDR.

Als letzter Außenminister der DDR war er dann 1990 kurzzeitig Teil einer großen Koalition – nach dem Mauerfall –, bevor er im wiedervereinten Deutschland in den Bundestag gewählt wurde. Dort blieb er bis 2009 Mitglied für die SPD. Nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag bekleidete Meckel öffentliche Ämter und arbeitet seitdem als Redner und Autor. Vor kurzem erschien im ibidem-Verlag „Zeitansagen“ – ein Sammelband mit Texten und Reden aus zwei Jahrzehnten.

Von der friedlichen Revolution bis zum Tagesgeschäft in der parlamentarischen Demokratie: Meckel hat einiges erlebt! Heute Abend spricht er im Gasteig zum Thema Ringen um die Demokratie – Das 20. Jahrhundert in Deutschland. Vorab haben wir ihm schon mal ein paar demokratische Fragen geschickt:

 

Foto: Emanuela Danielewicz

Heute morgen habe ich…
wie jeden Morgen die Zeitung gelesen. Das ist in unseren Tagen kein Vergnügen, sondern bringt einem immer wieder Realitäten ins Bewusstsein, die tiefe Sorgen bereiten. Ich frage mich, wie in einer Demokratie solche Leute wie Präsident Trump an die Spitze gelangen können, die so viel Unheil stiften und die internationale Rechtsordnung gefährden. Bei den Präsidenten Putin und Erdogan verwundert es weniger, da es sich hier nicht um Demokratien handelt. Alle drei aber stellen uns in der EU vor riesige Herausforderungen – und ich frage mich, ob das wirklich allen bewusst ist.

Ich mische mich ein, wenn es darum geht…
gegenwärtigen Herausforderungen zu begegnen und die Politik zu drängen, das Nötige zu tun. Das Problem ist, dass man sich beschränken muss, denn leider kann man nur sehr begrenzt mitmischen. Denn die Problem sind umfassend und brauchen langen Atem, politische Probleme sind oft „dicke Bretter“ .

Das letzt Mal habe ich an der Demokratie gezweifelt, als…
ich in den letzten Jahren die Wahlergebnisse der AfD gesehen habe, und das nicht nur im Osten! Das muss alle Demokraten in unserem Land aktiv machen, denn aus dieser nationalistischen Ecke wurde schon einmal eine Demokratie in Deutschland kaputtgemacht. 

Die Welt wäre schöner, wenn mehr Menschen dieses Buch lesen würden: …
Die Passagen aus dem Lissaboner Vertrag, die sich mit unseren Grundwerten beschäftigen. Dafür haben viele Menschen im östlichen Europa gekämpft! Wir haben dies als Grundlage unseres Gemeinwesens, sollten es durchbuchstabieren und gemeinsam überlegen, wie wir das auch in Zukunft stark machen können.

Ich glaube, wir brauchen eine Revolution im Bereich …. ?
Das gilt in vielen Bereichen. Ich denke besonders an den Bildungsbereich, wo in Deutschland heute wieder Bildung in hohem Masse vom Geldbeutel abhängt. Oder an die Energie- und Klimapolitik. Aber es gilt auch für die gemeinsame Verantwortung in der Migrationsfrage und im Sicherheitsbereich. Es braucht in Politik und Öffentlichkeit ein stärkeres Bewusstsein, dass wir in Europa zunehmend für unsere Sicherheit selbst verantwortlich sind, und ein realistisches Nachdenken darüber, wie wir dem gemeinsam gerecht werden wollen.

Wenn ich an Deutschland in 30 Jahren denke, …
braucht es schon sehr viel Zuversicht, um nicht trübsinnig zu werden. Wir müssen die Frage beantworten, wie die Sozialsysteme angesichts der Globalisierung gesichert werden können, damit nicht nur die Vermögenden ohne Angst in die Zukunft schauen können. Es braucht mehr Mut und Entschlossenheit in der Politik, die ich z. Zt. nur begrenzt sehe. Da ist so viel Besitzstandswahrung und wenig Einsicht in die notwendigen Veränderungen. 

So richtig gestritten habe ich mich kürzlich, als…
jemand sagte, was da im Iran geschieht, ginge ihn nichts an. Allzu viele in unserem Land glauben immer noch, die eigene Verantwortung höre spätestens an unseren nationalen Grenzen auf.

Dieser Song macht meine Welt besser…
Ich liebe klassische Musik, insbesondere Johann Sebastian Bach. Jeden Sonntagmorgen höre ich eine seiner Kantaten. Solche Musik lässt die Welt heller erscheinen. 

Mein letztes Demobild:
Ich gehe heute kaum noch auf Demonstrationen, suche andere Wege der Einmischung. 1989 war ich dagegen in der DDR viel auf der Straße, bei Demonstrationen, die ich selbst mit organisierte.

Demokratie ist anstrengend, weil…
ich Mitstreiter brauche, mit denen ich mich verständigen muss. Das setzt viel Gespräch, Dialog und Kompromissfähigkeit voraus und die Bereitschaft zu Verständigung. Mit dem Kopf durch die Wand – das wird nichts.

Demokratie macht Spaß, weil…
ich spüre, wie viel mich mit anderen verbindet – selbst im Streit.

 

Markus Meckel als Podiumsgast:


Foto: © Emanuela Danielewicz

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