Orte der Demokratie: Das alte Rathaus in Pasing

Feuerwache, Rathaus, NSDAP-Parteihaus, Volkshochschule, Konzertsaal, Filmdrehort – das alte Rathaus in Pasing hat eine bewegte Vergangenheit. Heute werden hier die Gegenwart und die Zukunft gestaltet. 

Gerade einmal 33 Jahre eigenständige Stadtgeschichte, allerdings mit gleich zwei Rathäusern, von denen das neue nur unwesentlich jünger ist als das alte: Der Münchner Stadtteil Pasing blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Im Alten Rathaus befindet sich heute das Stadtbereichszentrum West der Münchner Volkshochschule. Ein denkwürdiger Ort, an dem Demokratie nicht nur neu verhandelt wird, sondern überhaupt erst wieder hergestellt werden musste.

Schon von außen sieht man der Pasinger Stadtvilla in der Bäckerstraße 14 seine historische Bedeutung an: Der gut erhaltene Jahrhundertwende-Bau übertrifft mit seinen vier Stockwerken die umliegenden Häuser nicht nur an Höhe, sondern auch an Liebe zum Detail. Doch die verzierte Fassade, gekrönt von Erker und Turm, lässt die turbulente Geschichte des Hauses nur erahnen. Und selbst die Plakette mit der Aufschrift „Ehemaliges Pasinger Rathaus, später Feuerwache 6“ gibt nur einen kleinen Einblick. Denn das eindrucksvolle Gebäude ist mehr als ein historisches Rat- und Feuerwehrhaus. Es ist ein Spiegel der Geschichte Pasings — und ein Ort, an dem heute dessen Gegenwart und Zukunft mit gestaltet werden.

Postkarte aus 1908: Altes Rathaus und Feuerwache – © Stadtarchiv München

Vom NSDAP-Parteihaus …

Nur 33 Jahre lang war Pasing eine eigenständige Stadt und dass der heutige Münchner Stadtteil in dieser kurzen Zeit gleich zwei Rathäuser hatte, wirkt rückblickend wie eine Ironie der Geschichte. 1905 konnte die stetig wachsende Gemeinde ihren Status als Stadt behaupten. Die Gemeindeverwaltung, die sich seit 1901 in der Bäckerstraße 14 befand, wurde zum Rathaus erhoben. Doch das Gebäude war mit den wachsenden Verwaltungsaufgaben bald zu klein. Ein neues Rathaus in der Landsberger Straße, in welchem sich heute unter anderem das Pasinger Bürgerbüro befindet, wurde 1937 fertiggestellt. 1938, kein halbes Jahr später, folgte die Zwangseingemeindung durch die Nazi-Regierung. Die NSDAP war bestrebt, München zu einer der größten und bedeutendsten Städte Deutschlands machen, um den Status der Stadt als sogenannte „Hauptstadt der Bewegung“ zu festigen und hervorzuheben. Das alte Rathaus wurde indes zum „Haus der Partei“ umfunktioniert. Das dunkelste Kapitel in der Geschichte des Gebäudes. Als Ort der Demokratie erbaut, wurde es zum Schauplatz des diktatorischen Schreckensregimes der Nazis. Fotos aus dieser Zeit zeigen es mit Hakenkreuz-Flaggen, Fahnen und Girlanden.

… zur „Werkstatt der Demokratie“

Deshalb ist es umso bedeutender, dass die Demokratie sich das Haus zurückerobert hat. Heute befindet sich hinter denselben Mauern, an denen einst die Symbole des Faschismus prangten, eine „Werkstatt der Demokratie“. So nämlich bezeichnete der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck die Volkshochschulen. Mit dem Stadtbereichszentrum West der Münchner Volkshochschule hielt also wieder der demokratische Geist Einzug im Alten Pasinger Rathaus. Denn Demokratie bedeutet nicht nur regieren, koalieren und debattieren. Es bedeutet, dass sich jeder Mensch, unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht, sexueller Identität, Alter und Bildungsstand in unsere Gesellschaft einbringen kann und soll. Deshalb ist es wichtig, dass es Orte gibt, an denen alle teilhaben und sich weiterbilden können, und zwar begleitend zu ihrem jeweiligen Alltag. Das Alte Rathaus in Pasing ist heute so ein Ort. Anstelle von Plenarsitzungen finden hier jetzt VHS-Kurse und -Veranstaltungen statt, die offen sind für alle. Von praktischem Wissen bis zu Allgemein- und Fachbildung werden hier Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die Teilhabe und Selbstbestimmung ermöglichen. Wie wichtig das ist, verdeutlicht nicht zuletzt die Geschichte des Hauses selbst.

© MVHS

Konzertsaal und Filmkulisse

„Wenn man hier ist, spürt man: Das ist ein Ort, an dem Geschichte passiert ist“, sagt Michael Widl-Stüber, Leiter des Stadtbereichs West der Münchner Volkshochschule, dessen Arbeitsplatz sich in den historischen Räumlichkeiten befindet. „Jedes Mal, wenn ich im alten Rathaussaal bin, denke ich auch an all die schrecklichen Dinge, die hier geschehen sind.“ Geschichte lässt sich nicht rückgängig machen, aber sie darf nicht vergessen werden. Man kann Orte wieder neu besetzen, ihnen ein neues Leben schenken: Und so ist der Rathaussaal heute der kleinste Kammermusiksaal Münchens. Mit 60 Sitzplätzen ist der denkmalgeschützte Raum, in dem sogar die originale Stuckdecke erhalten ist, eine feste Institution des kulturellen Lebens in Pasing. 

Doch auch in den anderen Räumen und Gängen ist der Charakter des alten Rathausgebäudes immer noch spürbar. So spürbar, dass ein Fernsehteam auf das Gebäude aufmerksam geworden ist: Für einen ZDF-Fernsehfilm wurde hier eine Szene gedreht, die in einem Rathaus spielt. „Die Dreharbeiten fanden bei laufendem Betrieb statt, es wurden aber gerade keine Kurse gegeben, weil Sommerpause war“, erzählt Widl-Stüber. Um welchen Film es sich handelt, darf er ebenfalls verraten: „Hammerfreundinnen“ von Christina Schiewe mit Valerie Niehaus in der Hauptrolle.

Doch egal wie viele Filme hier in Zukunft noch gedreht werden – das Alte Rathaus ist viel mehr als nur Kulisse. Es ist ein Ort der Gestaltung, der Veränderung, des städtischen und gesellschaftlichen Lebens. Oder um es mit Joachim Gauck zu sagen: „Eine Werkstatt der Demokratie“.


Wie das so geht mit der „Werkstatt der Demokratie“, das könnt ihr am 6. November live erleben  – im alten Rathaus an der Bäckerstraße 14, sprich der Münchner Volkshochschule: Sie lädt ab 18:30 Uhr zu einem Stadtteilpolitischen Forum ein. Unter dem Motto „Mitmischen, und das nicht nur bei Wahlen!“ diskutieren Bürger*innen mit Mitgliedern der örtlichen Bezirksausschüsse und des Münchner Stadtrats über die Möglichkeiten von Bürgerbeteiligung in der Kommunalpolitik – ganz konkret und auf Augenhöhe. Wer da mit von der Partie ist, erfahrt ihr hier.

Wenn ihr auch mehr über die Vergangenheit und Gegenwart des neuen Pasinger Rathauses an der Landsberger Straße erfahren wollt, könnt ihr am 7. November eine Führung mit Romanus Scholz besuchen (Vorsitzenden des Bezirksausschusses 21), also dem „Stadtteilbürgermeister“ von Pasing. Hier geht’s zur Anmeldung.


Beitragsbild: © MVHS; Bilder im Beitrag: (1) © Stadtarchiv München, (2) © MVHS

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