Der Bezirksausschuss: Das Scharnier zwischen Stadtrat und Bürger*innen

Die Münchner Kommunalpolitik ist eine verwirrende Sache. Neben dem Stadtrat gibt es zum Beispiel noch die Bezirksausschüsse. Eine, die sich damit auskennt, ist Heike Kainz. Sie gehört nicht nur zum Stadtrat, sondern ist auch Vorsitzende des BA Allach-Untermenzing. Wir haben sie zum Gespräch getroffen, um zu erfahren, was der BA eigentlich so macht. 

Antworten auf unsere Fragen zu bekommen, war gar nicht leicht. Der Weg zu Kainz’ Büro ist nämlich ähnlich verwinkelt wie die Kommunalpolitik. Um es zu finden, geht es ins Rathaus am Marienplatz. So weit so gut. Dann beginnt die Suche nach Raum 249 – dem Büro der CSU-Fraktion. Nach unzähligen Treppenstufen und ein paar falsch gewählten Abzweigungen ist es geschafft. Jetzt heißt es: Bezirksausschuss: Do it yourself. 

BA-Basics 

Bevor wir tiefer einsteigen, erstmal zu den Basics. Grundsätzlich ist der BA dazu da, zwischen dem Stadtrat sowie der Verwaltung und den Bürger*innen eines Stadtbezirkes zu vermitteln. In München gibt es insgesamt 25 Stadtbezirke und damit auch 25 Bezirksausschüsse. Deshalb nennt man die BAs auch „Stadtteilparlamente“.

Die Größe – also die Anzahl der Mitglieder eines BAs – ist abhängig von der Einwohnerzahl des Stadtteils. Da gibt es ziemlich große Unterschiede. Im Stadtteil Altstadt-Lehel zum Beispiel wohnen 20 926 Menschen (Stand Dezember 2017). Daraus ergeben sich für den zuständigen BA 15 Mitglieder.  Der BA 1 ist damit der kleinste der Stadt. Die meisten Mitglieder hat der BA 16. Diese 45 kümmern sich um die Belange der 114 478 Einwohner*innen (Stand Dezember 2017) des Stadtbezirks Ramersdorf-Perlach. Gewählt werden die Mitglieder der BAs alle sechs Jahre bei der Kommunalwahl direkt von euch (sofern ihr wahlberechtigt seid). Das nächste Mal übrigens im März 2020. Also: Geht wählen! 

Wer ist Heike Kainz und was macht sie im BA Allach – Untermenzing? 

Während andere sich mit 63 Jahren mental auf die Rente vorbereiten, ist Heike Kainz sowas wie ein Workaholic auf Kommunalebene. Sie ist Mitglied im Stadtrat, seit 2002 Mitglied im BA und seit 2008 Vorsitzende. Außerdem ist sie hauptberuflich Anwältin für Familienrecht und hat eine eigene Kanzlei. Wer sich im BA engagiert, bekommt dafür übrigens kein Geld. Es ist ein Ehrenamt. 

Heike Kainz aus dem BA Allach-Untermenzing
Heike Kainz aus dem BA Allach-Untermenzing

Da die meisten Mitglieder berufstätig sind, finden die Bezirksausschusssitzungen einmal im Monat abends gegen 19 Uhr statt. Da kann dann schon mal lang diskutiert werden.  Oft säßen sie bis 22 oder 23 Uhr beisammen, sagt Kainz. Als BA-Vorsitzende ist es ihre Aufgabe, die Sitzungen vorzubereiten und zu moderieren. Gewählt wird der*die BA-Vorsitzende vom gesamten Gremium. Das umfasst in Allach 17 Mitglieder. 

Was macht der BA? Was darf er und was nicht? 

Kainz fasst für uns zusammen: „Alles, was über die Grenzen des jeweiligen Stadtbezirks hinausgeht, liegt nicht mehr in der Entscheidungsbefugnis der Bezirksausschüsse.“ Das heißt, der BA kümmert sich vor allem ums eigene Stadtviertel. Dort hat er sogenannte Entscheidungsrechte. Es geht also laut Kainz um  „Dinge, die nur auf lokaler Ebene eine Rolle spielen“.

Außerdem ist der BA in städtebauliche Themen einbezogen. Hier hat er vor allem Anhörungsrechte. Das heißt, er kann Anträge stellen und der Stadtrat kann diesen zustimmen.  Das klappt nicht immer: „Oft hat das zur Folge, dass der Stadtrat macht, was die Verwaltung vorschlägt oder er selbst für richtig hält und nicht, was die BAs wollen. Das läuft dann nach dem Motto: Ober sticht Unter.“ 

Kainz’ Smartphone klingelt. Eigentlich mache sie das nicht in Gesprächen, aber das sei dringend. Nachdem sie aufgelegt hat, sagt Kainz: „Das ist jetzt so ein Klassiker.“ Gegen Ende der Woche werde eine neue Buslinie eingeweiht. Dafür habe der BA schon lange gekämpft. Denn Allach ist an den öffentlichen Nahverkehr nur über die S-Bahn angebunden. Das S-Bahn-Netz ist sternförmig in Richtung Zentrum aufgebaut. Viele der Menschen die im nord-westlichen Allach leben, müssen zur Arbeit allerdings nach Schwabing. Außerdem leben in Allach auch einige ältere Menschen ohne Auto, die dringend einen Stadtbus brauchen, damit sie einkaufen können. So eine Buslinie hat aber stadtweite Bedeutung. Das heißt: Der BA kann sie nicht beschließen. Was aber geht, ist, einen Antrag zu stellen. Zwar ist der erste schon sechs Jahre her. Doch vor einem halben Jahr versuchte es der BA erneut. Diesmal mit Erfolg: Der Stadtrat stimmte zu. „Das ist typische BA-Arbeit. Da kommt von den Bürgerinnen und Bürgern die – berechtigte – Forderung nach einer Buslinie. Der BA kümmert sich darum, und jetzt gibt es endlich, nach ungefähr 10 Jahren, diese Buslinie.“, sagt Kainz.

So fungiert der BA als direkter Ansprechpartner vor Ort. „Die Bürgerinnen und Bürger können jederzeit in die Sitzung kommen. Da gibt es am Anfang eine Bürgersprechstunde. Oder sie können ihr Anliegen schriftlich einreichen“, erklärt Kainz. Der BA kann auch ohne Bürgeranliegen Anträge stellen. Für Kainz ein wichtiger Teil der Arbeit: „Wir kennen uns aus und wissen, was wir im Stadtviertel brauchen.“ So kann die Expertise vor Ort genutzt werden und gibt BA-Mitgliedern und Bürger*innen die Möglichkeit, das Stadtviertel mitzugestalten. 

Das ist nicht immer leicht. Nicht alles kann umgesetzt werden, manches dauert lange. Das frustriere viele, sagt Kainz. Besonders bei großen Projekten braucht es vor allem eins: Durchhaltevermögen.

Über wie viel Geld verfügt ein BA und was darf er damit anstellen? 

Damit der BA aktiv mitgestalten kann, verfügt er über ein Budget. Es gibt einen Sockelbetrag, den jeder BA erhält, der Rest ergibt sich aus der Zahl der Einwohner. Der BA Allach verfüge über etwa 80.000 Euro, so Kainz. Für dieses Geld gilt: „Alles, was sich im Viertel abspielt und der Allgemeinheit zugutekommt, kann unterstützt werden.“ 

In Allach wurden bisher zum Beispiel Vereine oder auch soziale Einrichtungen gefördert. Aber auch das Stadtviertel kann damit aufgepimpt werden. Der BA ließ zum Beispiel eine Unterführung künstlerisch gestalten. Manchmal geht es eben auch um „kleineren Maßnahmen vor Ort.“ 

Dein Platz im Stadtteilparlament – oder: Frau Kainz, wie wird man BA-Mitglied? 

Die Antwort klingt simpel: „Wenn man BA-Mitglied werden möchte, dann muss man sich einer Gruppierung anschließen und sich zur Kommunalwahl stellen.“ 

Schritt eins ist also: Parteimitglied werden. Jeder Ortsverband kann dann so viele Kandidaten aufstellen wie es Plätze im BA gibt. Im zweiten Schritt muss man die Partei davon überzeugen, dass man auf die Liste kommt. Der dritte Schritt liegt dann bei den Wähler*innen.

Auch Kainz stellt sich 2020 wieder zur Wahl. Nach 18 Jahren BA wolle sie diesmal aber nicht wieder BA-Vorsitzende werden. „Ich möchte den Stab gerne weitergeben. Und ein Stück Verantwortung an eine jüngere Generation abgeben.“

 

Jetzt seid ihr an der Reihe – Events der MVHS zur politischen Beteiligung im Stadtviertel:


Beitragsbild: Amy Hirschi on Unsplash, Bild 1: Andreas Bohnenstengel via CC BY-SA 3.0 DE, Bild 2: © Privat (Heike Kainz)

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