Demokratisch wohnen: Zwei Münchner Wohnungsbaugenossenschaften im Portrait

Steigende Mieten, Luxussanierungen, Immobilienspekulation — Schlagworte, die beim Thema „Wohnen in München“ unwillkürlich auftauchen. Doch es gibt auch Alternativen zu dieser Entwicklung:Genossenschaften wie Wagnis und Wogeno vermieten Wohnungen nicht gewinnorientiert, sondern lediglich kostendeckend — und geben somit auch Menschen mit durchschnittlichen oder geringerem Einkommen die Chance, sich Wohnraum in der Stadt zurückzuerobern.

Dass der Wohnungsmarkt in München angespannt ist, wissen wir nicht erst seit dem Volksbegehren „Mietenstopp“, das im Oktober diesen Jahres vom Mieterverein München und weiteren Unterstützer*innen ins Leben gerufen wurde. „Die Mieten- und Wohnraumfrage ist die soziale Frage unserer Zeit“ heißt es dort. Denn Wohnen ist keine reine Privatsache, sondern hat immer auch eine politische, gesamtgesellschaftliche Dimension: Wer wo wohnt — und vor allem: wohnen kann — bestimmt das Stadtbild, unser Zusammenleben und die Möglichkeit der sozialen und kulturellen Teilhabe. Eine Stadt lebt nun mal von den Menschen, die dort leben. Und ein vielseitiges Angebot braucht eine vielfältige Bevölkerung. Doch immer mehr Menschen können es sich nicht leisten, in München eine angemessene Wohnung zu mieten — von kaufen ganz zu schweigen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass es auf dem Wohnungsmarkt Alternativen gibt. So wie die Genossenschaften Wagnis und Wogeno.

Wagnis 

Bereits an fünf Standorten in ganz München bietet Wagnis Menschen bezahlbaren Wohnraum mitten im Stadtgebiet. Drei weitere Bauprojekte werden derzeit realisiert. Das Prinzip ist simpel: Wagnis ist ein Wirtschaftsunternehmen, das Wohnraum schafft, verwaltet und vermietet. Anders als gewinnorientierte Unternehmen fügt die Wohnungsbaugenossenschaft dabei aber keine Gewinnmarge hinzu, sondern bietet Mitgliedern ihre Wohnungen kostendeckend an. Mieter*innen zahlen also lediglich einen einmaligen Pflichtanteil an die Genossenschaft sowie eine monatliche Nutzungsgebühr für ihre Wohnung. Diese ist von den marktüblichen Mieterhöhungen ausgenommen, und garantiert ein lebenslanges Wohnrecht. Einzige Bedingung: Die Wohnungen dürfen nicht unter- oder weitervermietet werden. 

Damit bietet Wagnis Bewohner*innen ein bezahlbares, sicheres und dauerhaftes Mietverhältnis und schützt gleichzeitig wertvollen Wohnraum vor Spekulation. Denn wo Genossenschaftsbauten stehen, können keine Luxussanierungen oder milliardenschweren Neubauprojekte realisiert werden. 

Das Genossenschaftsprinzip basiert dabei auf demokratischen Strukturen: Alle Bewohner*innen haben die gleichen Rechte und Pflichten. Entscheidungen werden in Mitgliederversammlungen gemeinsam getroffen. Dort wird auch der Aufsichtsrat gewählt. Jede*r hat das gleiche Mitspracherecht, unabhängig davon wie hoch oder gering die eigenen Genossenschaftsanteile sind. Dass Zusammenleben funktioniert durch Engagement, Solidarität und Eigenleistung. Egal ob Alleinstehende, Paare oder Familien — hier wohnt man miteinander und nicht nebeneinander. Und zwar generationenübergreifend. 

Tritt jemand aus der Genossenschaft aus, wird der Pflichtanteil zurückgezahlt. Mitglied kann jede*r werden. Sobald man eine Informationsveranstaltung besucht und den Mindestpflichtanteil von 1000 Euro eingezahlt hat, ist man Teilhaber*in der Genossenschaft. Freie Wohnungen werden nach von einem ehrenamtlichen Belegungsausschuss vergeben. Dabei erhöhen vor allem Kriterien wie persönlicher Bezug zum Quartier, soziale Dringlichkeit und die ausgewogene Zusammensetzung der Hausgemeinschaft die Chance, schneller an eine Wohnung zu kommen. Das monatliche Wohngeld bewegt sich dann je nach Einkommen zwischen 5,65 Euro und 12,40 Euro pro Quadratmeter.

Wogeno

Auch das Konzept der Wogeno basiert auf drei Prinzipien: Sozial, ökologisch und selbstbestimmt. Die Genossenschaft bietet Wohnraum für Menschen mit verschiedenen sozialen und finanziellen Hintergründen, um ein vielfältiges Leben inmitten der Stadt zu erhalten und zu fördern – und zwar spekulationsfrei, nachhaltig und ressourcenschonend. Dabei stehen stets die Menschen im Vordergrund, denen hier ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird. Unabhängig von ihrer sozialen, gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Situation. Die Genossenschaft überträgt den Bewohner*innen nicht nur ein Wohnrecht auf Lebenszeit, sondern auch die Verantwortung für die Bewirtschaftung der Häuser. Jede*r hilft nach seinen Kapazitäten mit. Dadurch lernen die Bewohner*innen einander kennen und identifizieren sich mit ihrem Haus, ihrer Gegend und ihrer Nachbarschaft. Auch das ist ein soziales Ziel der Genossenschaft. Seit 2016 gibt es sogar zwei Quartiersläden, die öffentlich für alle sind – egal ob Bewohner*innen oder nicht.

Seit ihrer Gründung 1993 hat die Wogeno 21 solcher Häuser mit insgesamt rund 580 Wohneinheiten erworben oder selbst gebaut, weitere sind in Planung. Das neueste Bauprojekt soll an der Den-Haag-Straße entstehen. Trotz der wachsenden Anzahl von Wohnungen müssen Mitglieder derzeit mit mehreren Jahren Wartezeit rechnen. Freie Wohnungen werden über ein Intranet ausgeschrieben, die Mieten belaufen sich bei geförderten Wohnungen auf 7 bis 11 Euro und frei finanzierten Wohnungen auf 9,50 bis 12 Euro pro Quadratmeter.  

München gehört uns allen

Denn demokratisch ist nicht nur die Struktur und Organisation der Genossenschaften, sondern auch ihr Grundgedanke: Sie geben den Menschen ihre Stadt zurück, behandelt Wohnen nicht als Ware, sondern als Recht. Die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum beinhaltet nämlich stets auch die Frage, in welcher Stadt wir leben wollen. 

Aktuell gibt es etwa 50 Wohngenossenschaften in München mit einem Gesamtbestand von über 1.000 Wohnungen und weiteren 3.000 Wohnungen in Planung. Bei einer Gesamtzahl von 780.194 Wohnungen in München ist das natürlich nur ein Anfang. Aber trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung. Denn München gehört uns allen, unabhängig davon, was wir verdienen und woher wir kommen. Wenn nur noch Gutverdiener*innen es sich leisten können, hier Wohnungen zu beziehen, wäre das Stadtleben bald ziemlich einseitig. 

Aber eine Großstadt lebt vom Austausch, von Unterschieden und von einem vielfältigen Angebot. Indem die Genossenschaften bezahlbaren Wohnraum für alle zur Verfügung stellen wollen, leisten sie ihren Beitrag zur kulturellen und sozialen Vielfalt und zur Teilhabe am Stadtleben. 

 

Mitmischen beim Thema „Wohnen in der Stadt“:


Fotos mit freundlicher Genehmigung von Wogeno (©)

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